Hinter den Türen.

Die Komplexität und Differenzierung moderner Gesellschaften ist in ihrer Gänze für kaum jemanden zu durchdringen und vollständig zu erfassen. Die äußersten Nukleonen einer in sich unendlich verwobenen Gemeinschaft sind gewissermaßen nur nach vorheriger Zustimmung per Klopf- oder Klingelzeichen betretbar: unsere Wohnungen. Die Gucklöcher und Sprechanlagen geben uns fast uneingeschränkte Kontrolle darüber, wem wir Zutritt in unsere Welt gewähren wollen. In vielen dieser Individual-Universen täuschen makellos arrangierte Vorhänge und gepflegte Vorgärten über das bisweilen sehr eigenwillig interpretierte Freiheitsverständnis des Menschen hinweg. Eine Freiheit, die sich darin äußert, Kindern, Frauen oder sich selbst Gewalt anzutun. Und nun? Der Zugang ist nicht nur erschwert, sondern unter Umständen sogar verunmöglicht – da paradoxerweise Schutzausrüstung fehlt. Hinter Andere verwahrloste Vorhöfe oder abbröckelnder Hausputz legen hingegen eine Dekadenz nahe, die sich im Innern des Menschen nicht finden lässt.

Hier wie da sind Menschen nicht nur mit anderen Menschen zusammen, die sie im besten Fall lieben und unter suboptimalen Umständen nur schätzen. Sie sind mit Menschen eingeschlossen, die ihren Selbsthass, ihre fatalen Vorerfahrungen und Störungen an andere, die ihnen jetzt schutzlos ausgeliefert sind, weitergeben.